Die Olsenbande als (ost)deutsches Kulturgut

FranzJaegerBerlin
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Beitrag von FranzJaegerBerlin »

Vielleicht ein bisschen übertrieben die Überschrift, aber ich bin da dieser Tage auf eine Kleinigkeit gestoßen, und es gibt sicher noch viel mehr zu entdecken, und wir können im Laufe der Zeit noch einiges mehr zusammentragen.



Also worum gehts: ein kleiner, kürzlich gegründeter, dresdner Verlag, der Holzhof Verlag, hat sich auf die Wiederherausgabe von Comics/Bildergeschichten aus der DDR spezialisiert. Dabei gehts z.B. um Comicserien aus Wochenzeitschriften (Für Dich, Wochenpost ...), die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen und in kleiner Auflage gesammelt wiederherausgegeben werden. Im letzten Monat nun ist die 26teilige "Für Dich"-Serie "Der Schatz von Finkenrode" von Reiner Schwalme erschienen. In diesem Comic habe ich gleich zwei "versteckte" Hinweise auf die Olsenbande gefunden, die ich euch nicht vorenthalten will. Ich habe beide Stellen unten als Bild angefügt (Genehmigung vom Verlag liegt vor, vielen Dank dafür). Einmal in Bild 85 will Florian erstmal einen Plan machen und in Bild 156 sind welche mächtig-gewaltig übers Ohr gehauen worden. Na wenn das nix ist... Wer also auf den Geschmack gekommen ist, einfach mal im Internet beim Verlag vorbeisehen und sich überraschen lassen: www.ddr-comics.de



Und dann, denke ich, gibts sicher noch viele Beispiele mehr (Film, Literatur ...), wo die Olsenbande hier ihre Spuren hinterlassen hat. Wer was weiss oder entdeckt, einfach hier mit reinschreiben :D
FranzJaegerBerlin
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Beitrag von FranzJaegerBerlin »

Etwas gegen das Sommerloch - ich habe mal wieder was entdeckt:



In dem Krimi von Jan Eik „Der siebente Winter“, taucht die Olsenbande mal wieder in (ost)deutscher Kultur auf. Das Buch ist 1989 in der bekannten DIE-Reihe des Verlages „Das Neue Berlin“ erschienen. (208 Seiten; ISBN 3-360-00149-4)



Worum gehts (Einführungstext):





Immer wieder hat Siegfried Korn, Leiter in einem Berliner Industriekombinat, seinen Urlaub verschieben müssen. Endlich ist es soweit. Drei Wochen lang würde er tun und lassen können, was er will; vor allem jeden Gedanken an den Betrieb und die ungelösten Probleme dort meiden.



Einmal mehr kommt es anders und so, wie er es sich nicht mal im Traum hätte vorstellen können. Auf einen Geldtransport des Kombinats wird ein Raubüberfall verübt – nach einem Plan, den Korn zusammen mit drei ehemaligen Kommilitonen vor Jahren entwickelte: aus lauter Jux und Dollerei.



So unglaubhaft es ihm auch scheint, dass einer seiner alten Freunde unter die Räuber gegangen ist, sucht er doch Gewißheit – und gerät in den Sog eines unglaublichen Abenteuers.“





Läßt die Einführung schon an die drei Dänen denken, kommt auf Seite 169 doch endlich der für uns entscheidende Hinweis. Endlich hat die K(ripo) den ersten Verdächtigen geschnappt und müht sich nach allen Regeln sozialistischer Kriminalistenkunst ihn auszuquetschen, und es kommt zu folgendem Geständnis:





Das Grienen war ihm vergangen. Auch er schien abgespannt.



„Ich hätte nie mitgemacht. Die haben mich glatt überfahren. Ist das Auto sauber? hat er mich gefragt. So sauber wie ihr Oberhemd, habe ich geantwortet. Der trug nämlich ein blaues Oberhemd. Er hat gleich die Jacke zugeknöpft. Bei der Gelegenheit sah ich das Käsemesser und habe gemurrt.“



„Sie haben mitgemacht, Büttner! Wie lief das nun ab?“



„Vom Treffpunkt ist der mit dem Lada los, wahrscheinlich dem Wartburg hinterher. Und wir sind mit dem Barkas zu einer Baustelle, wo wir ihn dann in einer Seitenstraße abgestellt haben. Weit und breit kein Mensch außer uns. Nulle hat mir eine Kellnerjacke angedreht und erklärt, wie es ablaufen soll. Ich sollte den Wartburg anhalten, und er und der andere wollten sich um die Kohlen kümmern. Verständigung vorher über Funk. Das Gerät hatte Nulle im Wagen. Ich hatte bloß noch die Kette festzumachen. Weiter nichts. Ich habe trotzdem gesagt: Das Ding sei mir zu heiß. – Das sei ein todsicherer Plan! Der Kumpel habe alles säuberlich ausgetüftelt: die Zeit, den leeren Parkplatz, sogar die Kette läge schon unter dem Bauwagen versteckt. – Solche todsicheren Pläne hat die Olsen Bande auch immer, habe ich gesagt und dann gefragt: Wer weiß denn noch alles von dem Plan? – Das ist ja das Einmalige daran, hat Nulle gejubelt, mindestens fünfzig Mann in der Bude. Der Überfall auf einen Geldtransport scheint dort so eine Art Betriebshobby zu sein.“

...





Auf Seite 208 schließlich, ist der Fall gelöst und der Kopf der Bande verhaftet...
mbberlin
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Beitrag von mbberlin »

Die Bezeichnung "Kulturgut" ist in diesem Zusammenhang ziemlich bizarr.



In Deutschland gehören Pasta und Pizza mittlerweile fest zum Speiseplan und haben viele deutsche Gerichte verdrängt. Gerade bei den jüngeren Generationen. Trotzdem ist es immer noch italienisches Kulturgut, weil die Hauptrezepte eben aus dieser Region kommen.



Das (Ost) in Klammern ist noch bizarrer, denn die Olsenbande war im Westen mindestens genauso beliebt. Die Tatsache dass es vom DDR-Fernsehen ausgestraht wurde, ändert darn nichts. Unterhaltungsendungen wurden auch "hier" gerne gesehen. Übrigens auch "Der schwarze Kanal", die erste und einzige Comedyserie aus DEFA -Produktion. :D



Abgesehen davon halte ich persönlich nicht viel von solchen kulturellen "Vereinnahmungen". Fest steht für mich, dass eine Serie wie die Olsenbande in Deutschland sicher nicht diesen unverwechselbaren Charme gehabt hätte. Das ist wie mit französischen Filmen: stilistische Nachahmungen enden stets im Desaster...



Wenn man an Kinderfilme denkt, z.B. Pippi Langstrumpf oder auch siew wunderbaren tschechischen Produktionen wie Pan Tau, ist es das selbe. Da hat jedes Land seinen eigenen Duktus. Auch wenn das immer mehr versandet...
FranzJaegerBerlin
Beiträge: 518
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Beitrag von FranzJaegerBerlin »

„Also ich weiss ja nicht.“



Bizarr klingt ziemlich bizarr. Dabei lieferst du gleich auch noch die Erklärung dafür mit, warum es nicht so ist. Aber ich will den Grund für das Thema mal erklären: Es geht nicht darum die Olsenbande für irgendwen oder –was einzuvernehmen, sondern einfach darum, die Spuren zu sammeln, die die Olsenbande in (Ost)Deutschland hinterlassen hat. Und dass sie Spuren hinterlassen hat, wird wohl nicht ernsthaft jemand abstreiten. Und die Spuren hat sie ja in der Kultur hinterlassen, wo sonst. Im Alltagsleben und Umgang miteinander, in Büchern und Filmen und nicht zuletzt auch bei den Reisegewohnheiten nicht nur von ausgesprochenen Hardcore-Fans. Für mich gehört das zur Kultur. Und Pizza gehört inzwischen auch in Deutschland zur Esskultur...



Es kann sich auch jeder an diesem Thema beteiligen und alles aufschreiben, was ihm dazu einfällt oder über den Weg läuft.



Gerade weil die Olsenbande nicht nur im Osten beliebt war, sondern auch, und nur das weiss ich genau, auch in Westberlin, steht das ost in Klammern. Allerdings hat sie dort niemals diesen Eindruck hinterlassen wie eben im Osten – sie wurde gerne gesehen. Kult sind in Westberlin andere Dinge, die präsenter waren – Startreck, Starwars, Raumpatrouille Orion...



Und überhaupt nicht zu vergessen ist, dass die Synchronisation eine ostdeutsche ist und nur diese die Olsenbande zu dem gemacht hat, was sie heute noch ist. Man denke nur an die ZDF-Synchro. Ich wage sogar zu behaupten, dass die Defa bei ihrer Synchronisation mehr rausgeholt hat, als ursprünglich drin steckt. Darüber kann man sich aber streiten. Auch haben typische DDR-Spracheigenheiten großen Einfluss gefunden. Also für mich gehört die Bande (auch) zum deutschen Kulturgut.
Holger
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Beitrag von Holger »



mbberlin wrote:
...



Das (Ost) in Klammern ist noch bizarrer, denn die Olsenbande war im Westen mindestens genauso beliebt. Die Tatsache dass es vom DDR-Fernsehen ausgestraht wurde, ändert darn nichts ...

Abgesehen einmal von Westberlin , was ja mitten in der DDR lag , muß ich Dir leider widersprechen.

Nur die wenigsten hier im Westen können mit dem Begriff Olsenbande überhaupt etwas anfangen. Sie wurde zwar auch hier im Fernsehen gezeigt (davon zur Abschreckung wahrscheinlich ein paar Mal die ZDF-Synchronisation) , aber sie hat hier keine Spuren hinterlassen.

Was die Beliebtheit gerade im Osten der Republik betrifft , kann man sagen , daß wir uns in der DDR sehr mit dem identifizieren konnten , was in den Filmen auch zu sehen war... Improvisation , d.h. aus nichts etwas machen , die versteckte und manchmal offene Kritik an der Führung des Landes usw. usw.